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FOCUS Magazin | Nr. 33 (2013)
Politik
dpa Alarmstufe Rot: Aiman al-Zawahiri (hier 2004 bei einem Auftritt im arabischen Sender al-Dschasira) rief sein Terrornetzwerk zu Attacken auf. Die USA schlossen daraufhin zahlreiche Botschaften.
Wie mächtig ist der neue Fürst des Terrors? Der amerikanische Experte Peter Bergen analysiert für FOCUS die Karriere des Al-Qaida-Chefs Aiman al-Zawahiri
Die Botschaft des Al-Qaida-Chefs Aiman al-Zawahiri an den Kommandeur seiner Unterorganisation im Jemen war klar und einfach: „Tut etwas!“ Der amerikanische Geheimdienst fing die Nachricht ab. Es folgte eine beispiellose Schließung von rund zwei Dutzend US-Botschaften und -Konsulaten im Nahen Osten, Südasien und Afrika. Im Jemen schlossen auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien ihre Vertretungen. Osama bin Laden wurde vor zwei Jahren bei einer Operation der US Navy Seals im pakistanischen Abbottabad getötet. Bis dahin stand Zawahiri im Schatten seines charismatischen Vorgängers. Nun tritt der 62-Jährige als weltweit herrschender Terror-Boss ins Rampenlicht.
FOCUS Magazin | Nr. 33 (2013)
dpa Nach Osama bin Ladens Tod (das Bild stammt aus dem Jahr 2000) übernahm Aiman al-Zawahiri das Terrornetzwerk Al-Qaida
Als Zawahiri im Jahr 1997 – nach sechs Monaten Haft in Russland – zum ersten Mal in das von den Taliban kontrollierte Afghanistan kam, war bin Laden auf dem Weg zu weltweiter Berühmtheit als Emir des Dschihad. Zawahiri dagegen war nur der mittellose Anführer einer kleinen ägyptischen Terroristengruppe. Bin Laden wahrte Distanz. Erst im Sommer 2001 verriet er dem Ägypter Details über die bevorstehenden Angriffe auf New York und Washington. Damals hatte bin Laden nahezu die totale Kontrolle über al-Qaida. Die Mitglieder mussten einen religiösen Eid auf ihn persönlich schwören, um ihn ihrer blinden Loyalität zu versichern. Wie bin Ladens Sohn Omar berichtet, gewöhnten sich die al-Qaida-Männer an, um Erlaubnis zu bitten, wenn sie mit dem Anführer sprechen wollten. „Werter Prinz, darf ich sprechen?“, sei die übliche Frage gewesen. Auch Zawahiri habe sie gestellt. Als neuer Chef von al-Qaida zeigt Zawahiri, dass er sich nicht mehr an die früheren Entscheidungen bin Ladens gebunden fühlt. Im Jahr 2010 befahl bin Laden der somalischen Militantengruppe al-Schabaad, ihre Verbindung mit al-Qaida geheim zu halten. Anfang 2012 gab Zawahiri selbst das Bündnis der beiden Gruppierungen bekannt. Nach 9/11 schrieb Zawahiri in seiner Autobiografie „Ritter unter dem Banner des Propheten“, das wichtigste strategische Ziel von al-Qaida bestehe darin, die Kontrolle über einen Staat oder Teil eines Staates irgendwo in der islamischen Welt zu übernehmen. „Wenn wir dieses Ziel nicht erreichen, werden unsere Aktionen nichts bedeuten“, erklärte er. Sein Erfolg als Al-Qaida-Führer wird von seinen Mitkämpfern daran gemessen werden, ob es ihm gelingt, aus den chaotischen Zuständen in Ländern wie Ägypten, dem Jemen, Syrien, Irak und Libyen nach dem Arabischen Frühling Kapital zu schlagen, sichere Häfen für al-Qaida und Verbündete zu etablieren und von dort aus wirksame Schläge gegen westliche Ziele auszuführen.
Al-Qaida wurde vor 25 Jahren, im August 1988, an einem langen Wochenende in der glühenden Sommerhitze Pakistans in der Stadt Peschawar gegründet. Laut den Aufzeichnungen über das Treffen diskutierte bin Laden mit etwa einem Dutzend Männer, wie sich am besten eine Organisation schaffen ließe, die den „Heiligen Krieg“ in andere Länder trägt. Zawahiri war nicht dabei, und in den frühen Jahren der neuen Organisation spielte er in ihr keine zentrale Rolle. Heute ist er ihr Gesamtchef. Er steht vor der Aufgabe, ein Terrornetzwerk zu beleben, dessen letzte große Operation im Westen die Selbstmordattentate in der Londoner U-Bahn am 7. Juli 2005 waren. Um nach seinen eigenen Maßstäben erfolgreich zu sein, wird er sich mehr einfallen lassen müssen, als nur den Chef des Al-Qaida-Partners im Jemen aufzufordern, „etwas zu tun“.
CNN - Tim Hetherington Peter Bergen
Der britisch-amerikanische Journalist zählt zu den führenden Terrorismus-Experten in den USA und verfasste vier Bestseller über Osama bin Laden und die Jagd der Amerikaner auf den ehemaligen Al-Qaida-Anführer. Er leitet das National Security Studies Program, einen Think Tank in Washington, D. C. Bergen führte 1997 in Kabul ein TV-Interview mit Osama bin Laden.